Project Horizon // Race around Rwanda II

Project Horizon // Race around Rwanda II

Die Perspektive eines Fotografen.

Ende Januar nahmen Project Horizon-Athlet Lukas Rathgeber, Ultra-Radfahrer Raphael Albrecht und Fotograf Nils Laengner an der Journey around Rwanda teil. Letzte Woche hat Lukas bereits einen Rückblick auf die Reise aus der Fahrer-Perspektive gegeben. Nun teilt Nils seine Erinnerungen an das Event aus der Sicht eines Fotografen:

Bis zur letzten Minute hatte ich damit gerechnet, dass ich nicht fliegen würde. Findet das Rennen (oder nennen wir es Journey) statt? Bekomme ich meinen (hoffentlich) negativen Corona-Test pünktlich vor dem Abflug? Wo bleibt meine neue Kreditkarte? Dürfen wir uns frei bewegen, wenn wir in Ruanda ankommen? Hoffentlich stecke ich mich auf dem Flug nicht an…
Selbst vor Ort waren dann doch noch viele Dinge unklar. Aber wenn ich schon als Radsportler kein Abenteuer haben kann, dann wenigstens als Fotograf.

Für mich war es der vierte Trip nach Ruanda. Zuvor hatte ich immer die Tour du Rwanda fotografiert. Eines der wichtigsten UCI-Rennen auf dem afrikanischen Kontinent. Ich habe mir währenddessen immer vorgestellt wie es sein muss, dort selbst Rad zu fahren. Daher brachte ich mein Rad zum Race around Rwanda mit. Mir war klar, dass ich dort nicht ständig mitfahren könnte, aber für einige Abschnitte wollte ich mich unbedingt auf’s Rad schwingen.
Mittlerweile habe ich schon ein paar sogenannte „unsupported long-distance bike packing races“ fotografiert. Ich finde das Format super spannend, denn es bringt die unterschiedlichsten Emotionen und Landschaften mit sich. Außerdem ist es eine Herausforderung für mich als Fotograf. Ich will und darf nichts verpassen, darf aber auch nicht die ganze Zeit dabei sein, da ein Support der Fahrer:innen nicht erlaubt ist (emotionalen Support gibt es nämlich auch). Leichter wird es, wenn man das gesamte Event dokumentieren soll – dann ist es nicht schlimm, wenn einem die ersten Fahrer:innen durch die Lappen gehen.
Ich sollte mich allerdings vor allem auf zwei Leute konzentrieren: Lukas Rathgeber und Raphael Albrecht. Ich wusste, dass beide stark waren und es ihr Ziel war, ihre Grenzen auszutesten. Soll heißen: wenig Schlaf für die Athleten und mich. Schlimmer empfand ich die Tatsache, dass wir vieles von der Landschaft verpassen würden, da wir viel Zeit in der Dunkelheit verbringen würden.
Ich plante die Route so gut es ging und überlegte mir was ich erzählen wollte. Dann kam aber die Nachricht, dass das Rennen so nicht stattfinden würde. Aufgrund von steigenden Corona Zahlen (nicht in Ruanda, sondern weltweit) verschärfte die ruandische Regierung die Maßnahmen, um sich vor Corona zu schützen. Dazu zählte auch eine Ausgangssperre zwischen 18 und 4 Uhr und dass keine Sportveranstaltungen mehr stattfinden durften. Somit war klar, dass die Durchführung eines Rennens in diesem Format nicht möglich sein würde.
Aber sowohl die Veranstalter als auch die Regierung wurden kreativ: aus dem Rennen wurde ein 1000 Kilometer langes Etappen-Event. Die Strecke wurde in sechs Etappen aufgeteilt und am Ende eines jeden Tages gab es eine Unterkunft und Essen. Für manch eine Person war das bestimmt enttäuschend, doch für viele sehr erleichternd. Dazu zählte ich. Vor allem aus logistischer Sicht war diese Entwicklung sehr viel entspannter.

Ob nun Rennen oder Journey, letztendlich wurde es für alle ein Abenteurer. Die wunderschöne Landschaft, die nie enden wollenden Berge und die kurzen oder längeren Begegnungen mit verschiedensten Menschen machten die Reise unvergesslich. Noch vor dem Event wurde darüber diskutiert, dass mit dem neuen Format mehr gewonnen als verloren wurde.
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Der ersten Tag begann direkt um 4 Uhr morgens. Gestartet wurden in der Hauptstadt Kigali. Von dort ging es in den Osten des Landes Richtung Akagera Nationalpark. Nach und nach fuhren die Teilnehmer:innen los. Fast als letztes fuhr ich mit meiner Fahrerin los (Ich werde sie hier nicht namentlich erwähnen, da ich in den kommenden Zeilen nicht immer nur positiv von ihr reden kann).
Da alle Teilnehmenden mit einem GPS Tracker ausgestattet waren, konnten wir genau sehen wo sich jede Person zu jedem Zeitpunkt befand. Das war sehr praktisch, um abschätzen zu können, ob es sich lohnen würde an einer Location zu warten oder doch lieber nach vorne zu fahren. Nach einer Weile auf Asphalt trafen wir auf eine Gruppe von Fahrern, die an einem sehr schönen Café pausierten. Dort entschied ich mich auf Lukas zu warten, um mit ihm den Rest des Tages auf dem Rad zu verbringen.
Schnell ging es für uns in den Nationalpark hinein. Dort wurde es immer technischer und das einhändige Fotografieren machte die Singletrail-Passage nicht gerade leichter. Ich ließ Lukas mit einigen ruandischen Nationalfahrern ziehen.
So konnte ich mir nochmals eine andere Location aussuchen und wartete dort auf weitere Fahrer:innen. Wir fuhren gemeinsam durch Watussirind-Herden (das sind Rinder mit riesengroßen Hörnern) und wurden herzlich bei einer älteren Frau aufgenommen, als sich die tiefschwarzen Wolken über uns ergossen.
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Der nächste Tag sollte eigentlich um 4 Uhr beginnen. So stand ich wie alle anderen um 3 Uhr auf, um zu frühstücken. Einer nach dem anderen verließ das Hotel. Nur ich war noch da, da meine Fahrerin anscheinend lieber ausschlafen wollte. Mit etwas Verspätung sind wir dann eine wunderschöne Gravelstraße am Rande eines Sees entlang gefahren und konnte die Aussicht genießen – nur eben leider ohne Fahrer:innen im Bild.
Nach diesem Abschnitt erwartete uns eine lange Passage auf Asphalt. Dort konnten wir wieder auf die anderen aufschließen. Ich musste allerdings zur nächstgrößeren Ortschaft preschen, um dort einen weiteren Corona-Schnelltest zu absolvieren. Zum Glück negativ.
Ich hatte keine Lust mehr im Auto auf die anderen zu warten. So entschied ich mich dafür, das Auto gegen mein Rad einzutauschen. Kurz vor den Twin Lakes bekam ich einen Platten. Lukas winkte mir noch freundlich im Vorbeifahren zu, da er nicht realisiert hatte, dass ich eine Panne hatte. Er versicherte mir im Nachhinein, dass er dachte, ich würde nur fotografieren. Nach einer kleinen Tüftelei konnte ich weiterfahren. Lukas war weg, aber ich konnte mit einer Gruppe von drei anderen mitfahren. 30 Kilometer vor dem Ende des Tages verabschiedete sich dann mein Schaltwerk und riss mir beinahe eine Speiche aus dem Rad. Von hier an war Schieben angesagt. Zum Glück ging ein Großteil davon bergab. Aber wenn die Kette auf dem Boden schleift und man nicht pedalieren kann, fühlt sich auch eine abschüssige Gravelstraße nicht fantastisch an.
Am Cycling Center des ruandischen Verbandes angekommen konnte ich mein Rad dem Mechaniker anvertrauen. Dieser musste an meine SRAM ein oldschool Shimano-Schaltwerk dran bauen. Angeblich geht das, was mir bis dato neu war. Ich dachte immer gehört zu haben, dass das eben nicht geht. Aber wer bin ich, dass ich dem Mechaniker des Nationalteams nicht vertrauen sollte.
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Den dritten Tag wollte ich von Anfang an vom Rad aus bestreiten. Ganze 12 Kilometer und 450 Höhenmeter schaffte ich. Dann blockierte mein Schaltwerk. Ich hatte die Schnauze voll und Raphael und Lukas wollten/mussten auch weiter. So musste ich zurück, um mit meiner ausgeschlafenen Fahrerin weiterzuarbeiten. Von Musanze ging es weiter nach Kibuye am Lake Kivu. Leider war ihr Plan ein anderer. Sie hatte wohl beschlossen, gar nicht mehr für mich anzuhalten. Ihr war die leere Straße mit Pannenbuchten zu gefährlich, um an der Seite zu stoppen. Dieser Tag schweißte uns nicht zusammen. Aber was sagt man zu einer Person, die freiwillig „hilft“?
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Für den folgenden Tag hatte ich mir einen Motorradfahrer inkl. Motorrad gemietet. Dieses mal konnte ich zu dem Zeitpunkt los, zu dem ich den Fahrer gebucht hatte. Das war also schon einmal eine klare Verbesserung. Zwei „early birds“ holten wir noch ein, bevor sie den ersten Berg vollends bestritten hatten. Dann kürzten wir ab und fuhren eine der wildesten Straßen hoch, die ich je gefahren bin. Heute war der erste Tag, an dem ich über einen Motor unter meinem Hintern dankbar war. Das ein oder andere mal mussten wir gemeinsam das Motorrad durch den Matsch schieben. Meistens konnte der Fahrer aber mit purer Gewalt sein Fahrzeug über jedes Hindernis navigieren. Er zeigte mir noch ein paar Grünmeerkatzen (falsch gedacht, das sind Affen!).
An der höchsten Stelle des heutigen Tages angekommen, kommunizierten der Fahrer und ich mit Händen und Füßen. Ich wollte wieder zurück zu einem Spot, um mich von dort aus dann wiederum Richtung „Ziel“ vorzuarbeiten. Das klingt geschrieben schon schwer. Das auf Kinyarwanda (Landessprache) zu erklären, war mir logischerweise unmöglich. So telefonierten wir mit vier Personen gleichzeitig. Diese klärten unser Problem.
Am grünsten Punkt der Strecke, inmitten einer Teeplantage, wartete ich auf die ersten Teilnehmer:innen. Nachdem diese mich hinter sich gelassen hatten, ging ich wieder in Richtung Ziel und wartete dort auf einem kleinen Pfad im Regenwald auf Lukas und Fabian Burri. Mit dem Motorrad konnten wir sie später erst am Ende einer Downhill-Passage wieder einholen. Dort konnte ich dann aber noch einige spannende Bilder schießen. Insgesamt war es ein super schöner und ereignisreicher Tag.
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Im Regenwald, an der Landesgrenze zu Burundi, begann der fünfte Tag. Der Plan sah vor, dass ich mit dem Auto starten und dann später auf das Fahrrad von Eleonora Baldi umsteigen würde.
Der Tag begann mit mystischem Nebel, der über dem Wald hing. Durch die Bäume hatte man aber immer wieder einen herrlichen Ausblick nach Burundi. Alle 50 Meter standen Soldaten. Diese patrouillierten die Straße rauf und runter, da es dort immer wieder zu Anschlägen von Rebellen (aus Burundi und dem Kongo) kommt. 30 Kilometer vor dem Ende des Regenwaldes tauschten Eleonora und ich untereinander Auto gegen Fahrrad. So konnte ich noch einen sehr langen und schönen Tag mit Rapha und Fabian verbringen. Rapha hatte fünf Platte, Fabian und ich jeweils „nur“ einen. Bei jedem dieser Stopps wurden wir von mindestens 10 bis 40 Leuten umstellt. Diese waren alle fasziniert von… warum, wissen wir nicht. Vermutlich von uns Weißen, die bescheuert genug sind, auf viel zu teuren Rädern durch Matsch und Geröll zu fahren. Naja, und Fabian hat einmal getanzt, das hat vermutlich auch dazu beigetragen.
Im Hotel angekommen, wurde für uns geklatscht. Was sich total albern angefühlt hat. Es wirkte so als wären wir an unser Limit gegangen, aber das Gegenteil war der Fall. Wir haben das „Rennen“ hinter uns gelassen. Quatsch gemacht, Black Metal auf Bluetooth-Boxen gehört und viel zu viele Platte gehabt. Mehr Entspannung ging nicht.
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Mit doppeltem Regenbogen und immer wiederkehrendem Regen begann der letzte Tag der Journey. Ich erwartete die Fahrer:innen am schlammigsten Teil der heutigen Tour. Doch Lukas und Rapha kamen und kamen nicht. Lukas hatte sich für die Asphalt-Alternative entschieden und Rapha hatte mal wieder einen oder vermutlich zehn Platte.
Auch wenn es der letzte Tag war, konnte ich mir ein paar mehr Kinyarwanda-Wörter aneignen. Denn da ich eine sehr lange Zeit im Regen warten musste, sprachen mich viele Dorfbewohner an. Diese Worte warten für meine Zeit nach der Journey sehr hilfreich, da ich noch eine Bikepacking Tour rund um Rwanda geplant hatte.
Der letztes Teil des Tages wurde dann fast nur noch auf der Straße ausgefahren. Nicht weil die Organisatoren das so geplant hatten, sondern weil die Straßenarbeiten in Ruanda sehr viel schneller gehen als in Deutschland.
Am Ende des Tages trafen wir uns alle auf der Terrasse des Onomo Hotels und konnten uns über unsere Erlebnisse auf dieser Entdeckungstour durch eines der schönsten Länder der Welt austauschen.

Zwei Tage danach begann ein neues Abenteuer: 1100 Kilometer und 17000 Höhenmeter, weniger als 10% davon auf Asphalt. Einmal rund um Ruanda, auf neuen und teilweise unerschlossenen Wegen. Da mein Rad nicht mehr zu reparieren war, musste ich die Bikepacking Tour auf einem Fully-Mountainbike fahren. Aber dazu ein anderes Mal mehr...

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Fotos: Nils Laengner / www.nilslaengner.de@nils_laengner

 

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